Augenveränderungen bei Kindern
Warum sollten Kinder zur/zum Augenärztin/Augenarzt?
Die Sehkraft des Menschen entwickelt sich in den ersten Lebensjahren. Bis zu einem Alter von 11 bis 12 Jahren spricht man von der sensiblen Phase der Sehentwicklung. Man kann sich vorstellen, dass unser Gehirn in diesen Jahren das Sehen lernt. Nach dieser sensiblen Phase können diese Prozesse jedoch nicht mehr stattfinden. Das heißt, dass in diesen Jahren unbemerkte und unbehandelte Augenerkrankungen das Sehen für den Rest des Lebens beeinflussen können. Erschwerend kommt hinzu, dass kleinere und auch größere Kinder oftmals keine Beschwerden äußern können, oder aber zum Beispiel einäugige Sehminderungen nicht als störend wahrnehmen. Aus diesen Gründen muss die Entwicklung der Sehkraft in diesen frühen Jahren gewährleistet werden und die Aufgabe der/des Augenärztin/Augenarztes ist es, Fehlentwicklungen zu diagnostizieren und zu behandeln.
Wann sollte bei Kindern die erste Kontrolle bei der/beim Augenärztin/Augenarzt erfolgen?
Die ersten Untersuchungen der Augen finden im Rahmen der kinderärztlichen U-Untersuchungen statt. Bei diesen Terminen können aber lediglich orientierende Untersuchungen (Screening) durchgeführt werden. Detaillierte Untersuchungen der Augen und der Sehfunktionen können nur bei der/beim Augenärztin/Augenarzt erfolgen.
Bei jeglichen Auffälligkeiten zuhause oder bei einer der Untersuchungen muss umgehend, unabhängig vom Lebensalter, eine augenärztliche Kontrolle stattfinden. Sind in der Familie Augenerkrankungen bekannt, zum Beispiel hohe Fehlsichtigkeiten, Schielen oder andere vererbbare Erkrankungen, sollte die erste Vorstellung beim Augenarzt zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat erfolgen. Bei unauffälligen Befunden und ohne Vorerkrankungen in der Familie ist eine Vorstellung mit 2 Jahren sinnvoll. Innerhalb der sensiblen Phase der Sehentwicklung sollten dann jährliche Kontrollen eingehalten werden.
Können auch Babys und Kleinkinder bei der/beim Augenärztin/Augenarzt untersucht werden?
Die augenärztliche Untersuchung bei Kleinkindern unterscheidet sich deutlich von der Untersuchung beim Erwachsenen. Zum einen kann nicht immer mit einer guten Mitarbeit der kleinen Patienten gerechnet werden und zum anderen können sie Prüfungen der Sehschärfe und andere Tests nicht verstehen. Auch liegen bei Kindern andere Erkrankungen im Fokus oder aber die Ausprägungsformen unterscheiden sich von denen im Erwachsenenalter. Es stehen aber eine ganze Reihe von objektiven und indirekten Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung, um die Augen der kleinsten Patienten zu überprüfen und so frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Zusammen mit unseren Orthoptistinnen kümmern wir uns in unserer Sehschule um Kinder ab dem ersten Lebenstag.
Was ist die Sehschule?
Als Sehschule wird eine spezielle Abteilung in Augenkliniken oder Arztpraxen bezeichnet. Dort werden zum einen Kinder mit Fehlsichtigkeiten und Schielen betreut und zum anderen auch erwachsene Patienten mit Erkrankungen der Augenbeweglichkeit und Störungen der höheren Sehfunktionen. Dazu gehört unter anderem das dreidimensionale Sehen. Viele Erkrankungen oder Verletzungen im Bereich des Kopfes oder des Gehirns haben Einflüsse auf das Sehen, obwohl die Augen selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen sind. Das liegt daran, dass das menschliche Sehzentrum im Bereich des Hinterkopfes liegt und die Nervenbahnen auf ihrem Weg vom Auge dorthin das gesamte Gehirn durchziehen. Zum Beispiel kann es nach Schlaganfällen oder Tumorerkrankungen zu Doppelbildern oder Gesichtsfeldausfällen kommen. Solche Einschränkungen können in der Sehschule untersucht und behandelt werden. Aber auch harmlose altersbedingte Störungen der Augenbeweglichkeit werden durch das Anpassen von Prismenbrillen verbessert.
Was ist eine Orthoptistin?
Eine Orthoptistin ist eine ausgebildete, staatlich anerkannte medizinische Fachkraft. Die Spezialbereiche sind die Neuroophthalmologie (Augenerkrankungen neurologischer Ursache) und Schielerkrankungen (Strabologie). Die Orthoptistin nimmt die Hauptrolle in der Sehschule ein und führt eine Vielzahl von Untersuchungen durch. Zusammen mit der/dem Augenärztin/Augenarzt wird dann das therapeutische Vorgehen festgelegt.
Warum sind die Kontrollen in der Sehschule wichtig für meine Kinder?
In unserer Sehschule möchten wir Ihre Kinder bei der Entwicklung eines normalen Sehvermögens begleiten. Häufig sind gerade bei den ganzen Kleinen noch nicht alle Untersuchungen im vollen Umfang möglich, oder bereits früh auffällig. Bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen können wir sicherstellen, dass eine mangelhafte Entwicklung rechtzeitig entdeckt und entsprechende Therapie- und Unterstützungsmaßnahmen (wie z.B. Brillen) eingeleitet werden können.
Warum müssen manche Kinder ein Auge abkleben?
Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, bei denen es zu einer asymmetrischen Entwicklung der Sehkraft der beiden Augen kommt. Die häufigsten Gründe sind das kindliche Schielen oder unterschiedliche Refraktionswerte (Kurz- oder Weitsichtigkeit, Hornhautverkrümmung) an beiden Augen. Das schielende Auge oder das Auge mit den höheren Brillenwerten wird dann oft von der Sehleistung ausgeschlossen. In der Folge lernt nur ein Auge das Sehen vollständig, das andere bleibt ein schwachsichtiges Auge, obwohl es organisch gesund ist. Dies wird als funktionelle Sehschwäche, oder als Amblyopie bezeichnet. Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, kann das schlechtere Auge trainiert werde, indem das gute Auge für einen vorher berechneten Zeitraum abgeklebt wird. Diese Behandlung muss oft über mehrere Jahre, bis zum Abschluss der Sehentwicklung, angewendet werden und stellt meist die einzige Therapieoption dar. Um den Kindern das Abkleben zu erleichtern gibt es mittlerweile Pflaster mit kindgerechten Motiven, so dass die Akzeptanz dieser Behandlung meist gut ist.
Warum werden manchmal die Augen der Kinder zur Bestimmung der Brillenstärke weitgetropft?
Im Inneren des menschlichen Auges liegt ein Muskel (Ziliarkörper), der uns das Verformen der Linse ermöglicht. Dies ist nötig, um in unterschiedlichen Entfernungen scharf sehen zu können. Diese Fähigkeit lässt im Laufe des Lebens nach, weswegen irgendwann eine Lesebrille getragen werden muss. In den ersten Lebensjahren ist dieser Muskel aber noch sehr aktiv und stört bei der Brillenbestimmung mittels Sehtests. Oftmals kann dann keine eindeutige Brillenstärke bestimmt werden, oder es kommt zu ausgeprägten Fehlmessungen. Richtig angepasste Brillengläser sind aber die Voraussetzung für ein beschwerdefreies Sehen und vor allem für eine optimale Sehentwicklung im Kindesalter. Deswegen bekommen Kinder vor der Brillenanpassung Augentropfen, die diesen Muskel für einige Zeit ausschalten und die Pupille erweitern. Im Anschluss kann dann eine sichere Messung der notwendigen Brillenstärke erfolgen. Dieses Vorgehen wird als Cycloplegie bezeichnet und ist für die Kinder zwar etwas unangenehm, aber in der Regel harmlos. Die Wirkung der Tropfen lässt dann innerhalb einiger Stunden wieder nach. In dieser Zeit können die Kinder aber nur verschwommen sehen, sind sehr blendempfindlich und oftmals müde. Bei Bedarf kann eine Sonnenbrille oder eine Schirmmütze helfen, diese Symptome zu lindern.